Die Insel

Titel: Die Insel
Autor: Richard Laymon
Verlag: Wilhelm Heyne Verlag
Erstveröffentlichung: 1995, in Deutschland August 2006
Seitenzahl: 559 Seiten

Genre: Thriller

Klappentext

Acht junge Urlauber, die sich nach der Explosion ihrer Jacht auf einer einsamen Südseeinsel wiederfinden, fernab jeder Zivilisation. Was wie ein unerwartetes Abenteuer beginnt, entwickelt sich zu einem Alptraum: Als nämlich einer von ihnen auf bestialische Art und Weise ermordet wird und sich herausstellt, dass die Explosion der Jacht kein Unfall war…

Vorwort

In einigen Dingen bin ich leicht zu beeindrucken, so etwa bei Empfehlungen. Wenn also auf einem Buch das Zitat „Es wäre ein Fehler, Richard Laymon nicht zu lesen!“ steht und dieses Stephen King zugeordnet wird, bin ich erst einmal geneigt, das Buch mitzunehmen. Auch der Klappentext klang nun nicht schlecht, also habe ich das Buch als Sommerlektüre mitgenommen. Der Inhalt von „Die Insel“ hat dann allerdings so überhaupt nicht zu einem angenehmen Urlaub beigetragen.

Langrezi

Es geht darum, dass eine kleine Gruppe – Vater, extrem heiße Mutter, drei Frauen, zwei davon ebenfalls extrem heiß, und deren Partner – auf einer einsamen Insel strandet. Warum ich erwähne, dass die Frauen extrem heiß sind? Weil das leider das tragende Element dieser Geschichte ist. Das Ganze wird in Form von Tagebucheinträgen des Teenagers Rupert, dem Freund der einzigen nicht heißen, sondern extrem zickigen Frau auf dieser Insel, beschrieben. Glücklicherweise lassen die übrigen Damen keine Gelegenheit aus, dem jungen, schmächtigen Typen ihre Avancen zu machen. Klingt wie ein Pubertätstraum? In der Tat.

[Im nächsten Absatz finden sich ein paar Spoiler. Wollt ihr die Geschichte noch selbst lesen und zumindest anfangs überrascht werden, überspringt den Absatz einfach.]

Nebenbei macht einer der Ehemänner – der auch schon die Jacht in die Luft gejagt hat, die Familie ist schließlich reich – Jagd auf die Truppe. Seine Frau schließt sich ihm an, gemeinsam entführen sie den Rest, der bis dahin noch nicht umgebracht wurde. Zur Rettung kann natürlich nur Rupert schreiten. An der Basis des bösen Duos, einem Haus im Wald, findet Rupert dann noch Affenkäfige, in denen zwei Schwestern gefangen gehalten werden. Mit einer von beiden hat er vorher schon Bekanntschaft gemacht, wurde sie doch im Haus von den Bösen vergewaltigt, wie er erregt feststellt. Am Ende kann Rupert das gemeine Pärchen aufhalten, sieht sich aber nicht in der Lage, die Frauen (die extrem heiße Mutter, seine blöde Freundin und die neu kennengelernten Schwestern) aus ihren Käfigen zu befreien. Glück für ihn: Die Frauen scheint das nicht groß zu stören. Mit der Mutter schläft er, die (Ex-)Freundin wird dafür gescholten, dass sie eifersüchtig ist. Er selbst wohnt in dem großen Haus. Ein absolutes Happy End also. Oder so.

Kennt ihr die Situation, wenn ihr beispielsweise in der Straßenbahn oder im Bus sitzt, es ist ein heißer Sommertag, eine junge Frau in Rock und luftiger Bluse, vielleicht mit etwas tieferem Ausschnitt, sitzt auf ihrem Platz, und ein Stück entfernt beobachtet man einen Typen, der sie mit unverhohlener Gier anstarrt, versucht, sich jeden Quadratzentimeter nackte Haut einzuprägen und sich vorstellt, was er sonst was mit ihr macht? So ein Gefühl hat das Buch bei mir an vielen Stellen hervorgerufen, der Ich-Erzähler verhält sich oftmals so, wie man es von diesen Typen her kennt. Der einzige Unterschied besteht darin, dass die Frauen es in der Geschichte letztendlich auch wollen. Ich habe kein Problem mit sexuellen Aspekten in Büchern, hier dient die gesamte Geschichte meiner Meinung nach aber nur dazu, die schlüpfrigen Fantasien des Autors zu rechtfertigen. Dass die Story aus der Ich-Perspektive geschrieben wurde, macht es ganz und gar nicht besser.

Stil

In anderen Rezensionen wurde auch immer wieder die extreme Gewalt beziehungsweise deren Beschreibung angeprangert. Man muss sagen: Für Menschen mit schwachen Nerven sind die entsprechenden Szenen in diesem Buch nichts, in Zeiten von Karin Slaughter und anderen Autoren dieser Art scheint es aber zum guten Ton zu gehören, extrem zu sein. Gleiches gilt für die teils deftige Sprache. Das ist aber auch eher phasenweise der Fall und soll wohl zum Realismus der Geschichte beitragen; man schreibt so, wie die Leute sprechen. Mir soll‘s recht sein, etwas mehr Realismus kann die Geschichte gut gebrauchen. Das Buch wurde zwei Jahre nach der Veröffentlichung übrigens noch indiziert, ich habe eine der ersten Versionen. Es kann also Unterschiede geben.

Neben der überbordenden Sexualität und der Gewalt stört mich aber vor allem der Umgang mit ersterem. Dafür möchte ich ein paar Sätze vom Ende zitieren.

„Was Connie [die Freundin von Rupert, d. Red.] anbelangt, so blieb sie eine Woche lang muffig und verstockt. […] Außerdem hatte sie ziemlich rasch herausgefunden, dass ihre Mutter und ich ein Liebespaar waren und ging uns mit ihren blöden Sprüchen eine Zeit lang gehörig auf die Nerven. Jetzt aber scheint sie es akzeptiert zu haben und sieht wohl ein, wie dumm es ist, auf jemanden eifersüchtig zu sein, den sie von Anfang an nicht gemocht hatte. Ich war ihr Alibi-Freund […]. Warum sollte sie mich also nicht ihrer Mutter überlassen?“

S. 558

Um es zusammenzufassen: Diese Frauen leben zu diesem Zeitpunkt seit drei Wochen in Affenkäfigen, abgesehen von dem Raum hinter einem aufgehängten Tuch gibt es keine Privatsphäre, und der eigene Freund und die eigene Mutter pflegen ihre Liebesbeziehung (was auch relativ detailliert beschrieben wird, ist ja auch nicht so einfach, durch die Gitterstäbe). Wie dumm Connie doch ist, da muffig und verstockt zu sein! Mit den Schwestern läuft übrigens nichts. Sie laufen zwar auch praktisch nackt herum, was „durchaus meine Aufmerksamkeit erregt“ (S. 558), wie er einräumt, aber:

„Sie sind noch zu jung für solche Sachen, und außerdem liebe ich Billie [die Mutter, d. Red.] so sehr, dass weder Erin noch Alice [die Schwestern, d. Red.] mich in Erregung versetzen können.“

S. 558

Na immerhin etwas.
Und ja, die Zitate sind alle von derselben Seite. Es lässt tief blicken, finde ich.
Etwas später fabuliert der Ich-Erzähler noch darüber, dass er „seine Frauen“, wie er immer wieder betont, durch das Niederschreiben seiner Erlebnisse schon viel zu lange warten lässt und kommt zu der Einsicht:

„Irgendwann einmal werde ich sie freilassen. Irgendwann müssen die Schlüssel zu ihren Käfigen ja schließlich auftauchen. Vielleicht sind sie wirklich unter der Matratze, wie Wesley [der männliche Teil des bösen Duos, d. Red.] gesagt hat. Man wird sehen.“

S. 559

Was für eine witzige Wendung am Ende, da hat der Schelm ja noch gar nicht nach den Schlüsseln gesucht. Und die Frauen einfach aus persönlichem Machtinteresse über längere Zeit in Affenkäfigen mitten im Dschungel, auf einer einsamen Insel, gelassen. Man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen.

Nachbetrachtung

Am Ende bleibt die Frage, wie Stephen Kings Zitat auf den Klappentext kommen konnte. Vielleicht bezog er sich damit auf andere Bücher von Richard Laymon, wenn man allerdings Kings Meinung zur aus meiner Sicht wirklich großartigen ersten Verfilmung von „Shining“  betrachtet und seine durchaus auftretenden (sexuellen) literarischen Entgleisungen dazu nimmt, ist es wohl nicht unrealistisch, dass ihm Laymons Werke gefallen. Ich bin seitdem zumindest vorsichtiger mit Empfehlungen von ihm.

Fazit

Der eine oder andere wird es sich schon denken können, aber das Buch kommt bei mir nicht besonders gut weg. Die Geschichte ist nur insoweit spannend, wie man nicht schon direkt am Anfang wissen möchte, wer hinter den Angriffen steckt. Überraschende Wendungen gibt es nur in sexueller Hinsicht. Der Stil ist in Ordnung, die Sprache ist eher einfach gehalten, was in Anbetracht des Erzählers und seines Alters aber nachvollziehbar ist. Insgesamt bekommt das Buch einen von fünf Sternen von mir.

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