Titel: Red Queen 1
Autor: Victoria Aveyard
Verlag: Orion
Seitenzahl: 416 Seiten
Erstveröffentlichung: Februar 2015
Genre: Fantasy, Young Adult, Dystopie
Klappentext
Rot oder Silber – Mares Welt wird von der Farbe des Blutes bestimmt. Sie selbst gehört zu den niederen Roten, deren Aufgabe es ist, der Silber-Elite zu dienen. Denn die – und nur die – besitzt übernatürliche Kräfte. Doch als Mare bei ihrer Arbeit in der Sommerresidenz des Königs in Gefahr gerät, geschieht das Unfassbare: Sie, eine Rote, rettet sich mit Hilfe besonderer Fähigkeiten! Um Aufruhr zu vermeiden, wird sie als verschollen geglaubte Silber-Adlige ausgegeben und mit dem jüngsten Prinzen verlobt. Dabei ist es dessen Bruder, der Thronfolger, der Mares Gefühle durcheinander bringt. Doch von jetzt an gelten die Regeln des Hofes, Mare darf sich keine Fehler erlauben. Trotzdem nutzt sie ihre Position, um die aufkeimende Rote Rebellion zu unterstützen. Sie riskiert dabei ihr Leben – und ihr Herz ….
[Information: Ich habe das Buch auf Englisch gelesen und werde im Folgenden auch die englischen Begriffe verwenden.]
Rahmenhandlung
Mare Barrow, eines der mittleren von fünf Kindern, ist eigentlich nur in einem gut: stehlen. Zusammen mit ihrem besten Freund Kilorn versucht sie, ihrer armen (weil Red) Familie zu helfen. Die große Hoffnung der Barrows liegt allerdings auf der jüngsten Tochter Gisa, die eine sehr begabte Schneiderin ist und damit ausreichend Geld verdienen könnte. Der Alltag wird jedoch von einem bereits über hundert Jahre währenden Krieg zwischen dem Heimatland und einer anderen Nation überschattet: Mit 16 Jahren muss jeder, der keinen Ausbildungsvertrag hat, Junge wie Mädchen, an die Front. Die meisten kommen nicht zurück, so auch Mares ältester Bruder Shade. Für sie und Kilorn ist es auch bald soweit. Unter anderem aufgrund dieser Verpflichtung, aber auch aufgrund der allgemeinen Ungerechtigkeit, hat sich unter den Reds eine Widerstandsbewegung, die Scarlet Guard, gebildet, die mit blutigen Anschlägen für die Gleichberechtigung der Reds kämpft. Währenddessen landet Mare am Hof des Königs, und es sieht aus, als könnte alles für sie, ihre Familie und Kilorn besser werden. Bis zu dem Unfall, an dem ihre auch für sie selbst bis dahin unbekannten Kräfte für das ganze Land öffentlich werden.
Langrezi
Red Queen besteht aus vier Teilen, hier geht es um den ersten, im Englischen ohne weiteren Untertitel erschienen, Teil. Die Geschichte – vor allem im Klappentext – klingt auf den ersten Blick wie eine klassische Jugendbuch-Story: Ein Mädchen in einer dystopischen Welt verliebt sich in jemanden aus einer anderen Welt, die Gesellschaft verbietet allerdings ihre Liebe, die beiden kämpfen dagegen. Am Ende ist alles toll und bunt. Diese Geschichte ist völlig anders. Ich habe selbst zwei Anläufe gebraucht, um das herauszufinden, denn der Anfang erweckt in der Tat den wenig kreativen Eindruck. Das wird auch nicht unbedingt besser, als Mare neben Prinz und Thronfolger Tiberias Calore VII, genannt Cal, ihren Verlobten, Cals jüngeren Bruder Maven, kennenlernt. Während Cal von klein auf dazu erzogen wurde, eines Tages den Thron zu besteigen, stark in der Politik wie im Krieg zu sein, ist Maven einfühlsam, weniger auf physische Kraft bedacht und stets im Schatten seines großen Bruders. Dreieck-Liebesgeschichte incoming!
Doch der allgemeine Eindruck zur Geschichte wird schnell anders. Denn Mare ist fest entschlossen, ihren toten Bruder zu rächen und sich der Scarlet Guard anzuschließen. Und spätestens damit wird der Plot deutlich vielschichtiger. Denn ein großer Aspekt ist der Verrat. Nicht nur an Mare; sie selbst verrät für das höhere Ziel der Scarlet Guard ebenso. Einer der in der gesamten Reihe wohl am häufigsten zitierten Sätze ist der von Mares Mentor Julian: „Anyone can betray anyone“ („Jeder kann jeden hintergehen“). Und das wird auch konsequent gelebt. Gleichzeitig stellt sich immer wieder die Frage, was das höhere Ziel der Gleichberechtigung legitimiert – sowohl, wenn es darum geht, ob Anschläge auf Unschuldige in Ordnung sind, als auch im zwischenmenschlichen Umgang.
Natürlich, es bietet sich bei der Geschichte geradezu an, geht es auch um die Frage der Gleichberechtigung selbst. Darf eine Gruppe, nur weil sie stärker ist, über die andere herrschen? Die Frage klingt leicht zu beantworten, aufgrund der Tatsache, dass durchaus sympathische Charaktere aber an dem System festhalten, eben weil sie es nicht anders kennen, behält die Geschichte immerhin ihre Berechtigung, das Thema immer wieder zu beleuchten.
Charaktere
Sie sind toll. Fast jede halbwegs wichtige Figur hat ihre eigene Geschichte, ihre Stärken und ihre Schwächen. Ich möchte diesen Satz betonen, denn oft genug ist es so, dass Figuren nur eine oder zwei Eigenschaften haben und nur einem Zweck dienen. Das ist hier eigentlich in Gänze anders (und wird im Laufe der Reihe noch besser). Natürlich gibt es auch hier ein paar Jugendbuch-Klischees. Kilorn ist in Mare verliebt, das wird nicht erwidert, die Hauptfiguren sind fast alle recht jung, aber man kann darüber hinwegsehen, finde ich. Auch das liegt an der Vielschichtigkeit der Charaktere. Sie machen Fehler, sie wissen nicht alles, sie schaffen es aber meistens, eine recht realistische Lösung für Probleme zu finden – oder auch nicht. Es wird nicht alles gut, es ist nicht alles schön. That’s life.
Stil
Ich kann nun nichts zur deutschen Übersetzung sagen, aber es gibt im Englischen immer wieder Sätze, die mein kleines Herz höherschlagen lassen, weil sie einfach schön sind. Insgesamt ist die Sprache auch für Menschen, die nicht ihre gesamte Freizeit auf Englisch verbringen, gut machbar. Es gibt etwas zähere Passagen, beispielsweise, wenn es um die verschiedenen Silver-Häuser, die Fähigkeiten ihrer Mitglieder, ihre Farben und Embleme geht. Aber das Ganze wird eigentlich in mundgerechten Häppchen serviert, und dadurch, dass Mare vieles davon auch erst mal lernen muss, sitzt man mit der Protagonistin immerhin in einem Boot.
Die andere Seite der Medaille der genannten verhältnismäßig zähen Passagen: Die Welt ist sehr detailliert ausgearbeitet, mit viel Liebe für Länder, Politik und Fähigkeiten. Da ist dann vielleicht auch mein einziges echtes Manko: Es gibt wirklich sehr viele Silver-Fähigkeiten, und auch, wenn einige häufiger auftreten als andere, hat man manchmal das Gefühl, dass eine bestimmte Fähigkeit nur auftritt, weil man sie für die Story braucht. Aber es passiert selten.
Es geht zwischendurch auch blutig zu. Mare kann Elektrizität kontrollieren, Cal und Maven das Feuer, die Scarlet Guard verübt vornehmlich Bombenanschläge. Dass dabei Menschen sterben, auch brutaler, ist wohl klar. Aber es wirkt nicht übertrieben, sondern realistisch. Wie gesagt: That’s life.
Fazit
Mir ist das Buch von Julia empfohlen worden, ich war am Anfang skeptisch. Aber, ohne es zu merken, hat mich die Story gefangen. Ich habe die insgesamt vier Teile hintereinander weggelesen und beabsichtige, auch die noch dazugehörigen Kurzgeschichten – Prequels – zu lesen. Daher dürfte es nicht überraschen, wenn ich 4,5 von 5 Sternen und eine absolute Leseempfehlung gebe.