1984

Titel: 1984
Autor: George Orwell
Verlag: Ullstein
Erstveröffentlichung: Juni 1949
Seitenzahl: 281

Genre: Dystopie, Science-Fiction

Langrezi

Da ein richtiger Klappentext fehlt und sich auf der Rückseite nur eine Einordnung zu den Umständen der Entstehung findet, starte ich gleich mit dem Inhalt. Wobei die grobe Geschichte den meisten Menschen sowieso bekannt sein sollte.

Inhalt

„1984“ spielt (vom Zeitpunkt der Entstehung aus gesehen) in einer dystopischen Zukunft, angesiedelt im namensgebenden Jahr: Auf der Welt befinden sich die drei Supermächte Eurasien, Ozeanien und Ostasien in immerwährendem Krieg, lediglich die miteinander verfeindeten Parteien innerhalb dieses Dreiecks variieren. Der Krieg dient der Ablenkung der Bevölkerung und der Verhinderung von Überproduktion; die drei Mächte erscheinen gleichstark, ein tatsächlicher Sieg über die anderen Parteien ist nicht erwünscht. Die Geschichte spielt in London, das zu Ozeanien gehört. Wir erhalten Einblicke in das dort herrschende totalitäre Regime. Annähernd das komplette Leben wird von der Regierung beziehungsweise von der Sozialistischen Partei Englands (Ensoc) kontrolliert und das umfassend: Geschichte und Literatur wird nachträglich geändert und den Menschen weisgemacht, dass es so, wie es jetzt geschrieben steht, schon immer war. Dabei können Dinge auch mehrfach geändert werden. Zum Beispiel wird die Rationierung von Rohstoffen heruntergesetzt, während die Regierung mitteilt, dass die Menge auf den neuen Wert hochgesetzt wurde. Auch die Sprache wird verändert, dazu später mehr.

Protagonist der Geschichte ist Winston Smith, der langsam anfängt, das System zu hinterfragen. Während er tiefer nach der Wahrheit sucht, trifft er auf Julia. Die beiden verlieben sich ineinander und planen ihre Flucht. Doch so einfach lassen sich die Regierung und der Große Bruder nicht überwinden.

Bekannte Elemente

Wie gerade schon erwähnt, finden sich viele Begrifflichkeiten in dem Werk, die heute allgemein bekannt sind. Dazu gehört auch der Big Brother, der Große Bruder, der als Figur sinnbildlich für die Überwachung ist. Ob es ihn wirklich gibt, bleibt unklar, ist aber auch irrelevant. Darüber hinaus gibt es das doublethink, das Zwiedenken oder auch Doppeldenk, und das Newspeak – Neusprech oder Neusprache im Deutschen. Ihr seht, die Übersetzung macht es teilweise etwas merkwürdig, wie ich finde.

Beim Doublethink geht es um das tatsächliche Glauben zweier Wahrheiten. Als Beispiel werden gerne Matheaufgaben verwendet. Wenn die Partei sagt, dass 2+2=6 ist, dann ist es so. Gleichzeitig ist es für Wissenschaftler wichtig zu wissen, dass 2+2=4 ist. Beides existiert dort gleichzeitig. Ein wahnsinnig interessanter Ansatz, wie ich finde, den ich hier nicht in Gänze ausführen kann. Es wird noch interessanter, wenn es auf empirische Dinge angewendet wird. Im Buch wird das Prinzip so erklärt:

„Zwiedenken bedeutet die Gabe, gleichzeitig zwei einander widersprechende Ansichten zu hegen und beide gelten zu lassen. Der Parteiintellektuelle weiß, in welcher Richtung seine Erinnerungen geändert werden müssen. Er weiß deshalb auch, daß er mit der Wirklichkeit jongliert. Aber durch das Einschalten von Zwiedenken beschwichtigt er sich auch dahingehend, daß der Wirklichkeit nicht Gewalt angetan wird. Das Verfahren muß bewußt sein, sonst würde es nicht mit genügender Präzision ausgeführt werden, es muß aber auch unbewußt sein, sonst brächte es ein Gefühl der Falschheit und damit der Schuld mit sich.“

(S. 197-198)

Die komplette Erklärung ist deutlich länger, aber das Zitat gibt einen Eindruck in die Komplexität, finde ich.

Das Newspeak behandelt die Anpassung der Sprache. Der Gedanke dahinter ist einfach: Wer keine Worte für Revolution hat, kann sie auch nicht ausführen. Das Denken ist dafür zu sehr mit der Fähigkeit, Dinge zu formulieren, verbunden.

Stil

Der Geschichte ist recht flüssig geschrieben, die Sprache – vor allem in der deutschen Übersetzung – hier und da ein bisschen sperrig, aber es hält sich noch alles im Rahmen.  Eine deutliche Ausnahme ist der Abschnitt auf den Seiten 169 bis 200. Dort liest Winston in einem Buch, das die Entstehungsgeschichte des Ganzen erklärt. Insgesamt interessant, aber unfassbar dröge geschrieben. Dazu kommt eine offensichtliche Aversion gegen zu viele Absätze. Für die 31 Seiten habe ich wirklich sehr lange gebraucht, das war nicht schön. Davor und mit Abstrichen auch danach geht’s deutlich flüssiger. Danach mit Abstrichen, denn die Situation wird für die Protagonisten alles andere als schön.

Wirkung

[Es folgt ein Spoiler. Obacht!]

Ich habe selten ein Buch gelesen, das auf seine Art so unheimlich war. Die Wirkung der Partei ist praktisch allumfassend, viele Auswüchse, etwa die allgegenwärtige Überwachung, scheinen durchaus realistisch. Und die Hoffnungslosigkeit, die mit dem Ende – Winston und Julia werden gebrochen, verraten einander, ihre Gefühle für den jeweils Anderen werden zerstört, und sie sind ebenfalls dem Regime hörig – hinterlässt ein sehr ungutes Gefühl. Den Gedanken im Hinterkopf, dass das Buch in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden sind, lassen sich viele Vorlagen für die Geschichte nachvollziehen, ich sehe es trotzdem mehr als warnender Ausblick in eine mögliche Zukunft denn als Rückschau.

Fazit

Die reine Geschichte ist nicht unfassbar kreativ, die Liebesgeschichte ganz schön, aber bewusst nicht übermäßig ausgebreitet. Was das Buch meiner Meinung nach zu einem zeitlosen Welterfolg mit absoluter Leseempfehlung macht, ist die Darstellung des gesamten Systems mit seinen langfristig angesetzten Plänen, die Gesellschaft für immer zu verändern. Ich zumindest dachte an einigen Stellen: „Ja, so, kann es laufen.“ Hoffentlich finden wir niemals heraus, wie realistisch die Umsetzung ist. 4 von 5 Sternen.

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