Man stelle sich einmal folgendes Szenario vor: Ihr feiert eure Hochzeit, die erste und (hoffentlich) letzte. Deine Freunde und Bekannten unterstützen dich auch hier. Einer von ihnen arbeitet seit Jahren in der Gastronomie und hat von sich aus angeboten, die improvisierte Bar im festlich geschmückten Schützenheim zu übernehmen. Irgendwann drückt euch euer neuer Schwippschwager ein Bier in die Hand – wobei der Begriff kaum passend ist, immerhin befindet sich fast nur Schaum im Glas. „Das hat mir dein Kellner gegeben“, lallt der Schwippschwager. Offensichtlich hat es ihm trotzdem geschmeckt, doch ihr seht an seiner Gesichtsfarbe, dass es kein fröhliches Trinken war. Und ihr könnt es verstehen. An der Bar seht ihr dann schnell, wo das Problem liegt: nicht etwa an der Zapfanlage, sondern an dem Typen, der sie mit dem Ellenbogen bedient, während er am Handy hängt.
Gut, denkt ihr, vielleicht arbeitet er in einem edleren Laden und hat mit profanem Bier nicht so viel am Hut. So genau wisst ihr das nicht, doch als ihr seht kurz darauf, wie er versucht, mit seinen Zähnen den Korken aus einer Weinflasche zu ziehen und sein Daumen beim Einschütten sanft den roten Strahl Alkoholisches durchbricht, wird euch klar: Das Ganze ist kein Zufall.
Das war ein Beispiel, wie es wohl niemand erleben will, oder? Absolut nicht. Deshalb meine Frage: WARUM MACHT IHR DEN GLEICHEN SCHEISS NUR AUF ANDERER EBENE?!
Misshandlung der Sprache
Auf wen die folgende Beschreibung nicht zutrifft, braucht sich nicht angesprochen zu fühlen, aber ich wette, ihr kennt auch Leute, die einen Buchblog führen, mit ihrer dezidierten, vielleicht sogar fundierten Meinung beeindrucken und immer wieder Werke aus dem Hut zaubern, die wirklich überraschen – und gleichzeitig eine Rechtschreibung und Grammatik wie ein Blumentopf an den Tag legen. „Das ist die Autokorrektur“ oder „ich nehme es per Sprachapp auf“ habe ich da schon als Ausreden gehört. Wie alt seid ihr, zwölf? Wenn euer Navi euch sagt, ihr sollt in den See fahren, macht ihr das dann auch? Die derzeitige Generation an Handyapps ist noch nicht (!) beleidigt, wenn ihr sie korrigiert. Nutzt diese Tatsache gerne aus.
Richtig schlimm wird es, wenn diese Leute schon Bücher herausgebracht haben. Da erwarte ich einfach ein anderes sprachliches Niveau, gerade bei geschriebenen Texten. Vielleicht kommt dann so eine Begründung wie „bei wichtigen Sachen gebe ich mir mehr Mühe“. Nach der Lektüre von Büchern solcher Menschen kann ich sagen: Nein. Die Unterscheidung klappt nicht. Und die Ausrede rangiert ungefähr auf dem Niveau von „Ich kann jederzeit aufhören zu trinken“, herausgewürgt von einem Typen mit roten Augen, der an einem Dienstagmorgen um 11 Uhr erklärt, dass man ja auf einem Bein (Bier) ja nicht stehen kann.
Amateurhaft und ein schlechtes Vorbild
Leider werden Leute, die sich über Rechtschreibungs- und Grammatik-Fehler aufregen, als Grammarnazis bezeichnet oder einfach als Menschen, die nichts Besseres zu tun haben. Aber ernsthaft: Ich wende mich hier gerade bewusst an Menschen, die den Umgang mit der Sprache so sehr mögen, dass sie sich eventuell beruflich, zumindest aber in ihrer Freizeit damit beschäftigen. Und wenn diese Menschen dann einen Text abliefern, der sich liest wie hingerotzt, verdirbt mir das auch einen guten Inhalt. Außerdem wirkt es einfach amateurhaft; Fehler machen kann schließlich jeder. Aber mehr noch: Ihr misshandelt das, was ihr angeblich so liebt und seid ein schlechtes Vorbild für andere. Entweder übernehmen eure Follower Fehler oder sie denken sich: „Ach, wenn Blogger xy drauf scheißt, wie er/sie schreibt und damit so einen Erfolg hat, dann muss ich da auch nicht zu viel Energie reinlegen.“ Damit rangiert ihr dann auf dem Level der auf den Rasen spuckenden und sich bei jedem Kontakt durch eben diese Rotze wälzenden Fußballer. Nur ohne das Gehalt.
Es geht mir bei diesem Text nicht darum, jeden noch so kleinen Fehler zu kritisieren. Fehler macht jeder, aber der Unterschied zu einer Fliege besteht darin, dass man aus diesen Fehlern lernt und nicht 18 Mal mit dem Kopf gegen dieselbe Glasscheibe klatscht. Und wenn dann so Sprüche kommen wie „Wenn ihr Fehler findet, könnt ihr sie behalten“, zeugt ihr damit von drei Dingen: 1) Ihr habt gegenüber den Regeln rund um die deutsche Rechtschreibung kapituliert. 2) Ihr seid so unfassbar kreativ, dass ihr einen Spruch irgendwo aus der Mitte des vorherigen Jahrtausends genommen habt, um das Ganze witzig abzutun. 3) Ihr macht sofort klar: Kritik ist hier unerwünscht, wenn ich mich selbst reflektieren will, schaue ich in einen Spiegel.
Und mal Hand auf’s Herz: Wollt ihr wirklich so einen Eindruck hinterlassen?