Turtles all the way down

Titel: Turtles all the way down
Autor: John Green
Verlag: Penguin Random House UK
Seitenzahl: 286
Erstveröffentlichung: 10. Oktober 2017

Genre: Young Adult

Klappentext

(Ich habe das Buch auf Englisch gelesen, deswegen kommt hier auch der Klappentext auf Englisch)
Sixteen-year old Aza never intended to pursue the mystery of fugitive billionaire Russell Pickett, but there’s a hundred-thousand-dollar reward at stake and her Best and Most Fearless Friend, Daisy, is eager to investigate. So together they navigate the short distance and broad divides separate them from Russell Pickett’s son, Davis.

Aza is trying. She is trying to be a good daughter, a good friend, a good student and maybe even a good detective, while also living within the ever-tightening spiral of her own thoughts.

In his long-awaited return, John Green, the acclaimed, award-winning author of Looking for Alaska and The Fault of our Stars, shares Aza’s story with shattering, unflinching clarity in this brillant novel of love, resilience and the power of lifelong friendship.

Langrezi

Ich bin ein großer Fan von „Eine wie Alaska” (Looking for Alaska) – irgendwann gibt es dazu auch noch eine Rezi. Ich mag das Buch so gerne, dass ich sogar das Lieblingswerk der Protagonistin gelesen habe (die Rezi gibt’s hier). Aber bisher habe ich nie ein weiteres Werk des Autors gelesen. Das wollte ich unbedingt endlich mal ändern, und so bin ich bei „Turtles all the way down“ gelandet. Es ist definitiv nicht schlecht, kommt aber leider nicht an „Eine wie Alaska“ ran. Der Vergleich ist vielleicht unfair, aber auch davon losgelöst hat es einige Schwächen. Am meisten gestört haben mich hier recht viele Wiederholungen bei relativ wenig Story.

Inhalt

Der Klappentext gibt die Geschichte ganz gut wieder. Russell Pickett ist wegen krimineller Machenschaften Hals über Kopf verschwunden und hat seine beiden Söhne Davis und Noah zurückgelassen. Daisy und Aza begeben sich auf die Suche nach ihm, weil sie (vor allem Daisy) die Belohnung haben wollen. Als vermeintlicher Pluspunkt kommt hinzu, dass Aza und Davis als Kinder zusammen campen waren; Daisy hofft, dass sie noch etwas herausfinden können, was der Polizei entgangen ist. Sie treffen auf Davis, und zwischen Aza und Davis entwickeln sich Gefühle, wobei es gerade am Anfang für Davis schwierig ist, zu erkennen, ob sie nun eher am Geld oder an ihm interessiert ist.

Charaktere

Aza hat Angst davor, sich (bakterielle) Krankheiten einzufangen und daran zu sterben. Das Ganze ist so schlimm, dass sie sich in psychiatrischer Hilfe befindet und nur ungern isst, weil sie dann daran denken muss, wie die unzähligen Bakterien im Körper das Essen zersetzen. Zudem hat sie sich stressbedingt mit dem Fingernagel eine Verletzung an der Hand zugefügt, die nicht mehr weggeht, weil Aza sie immer wieder öffnet, wenn sie glaubt, dass sich vielleicht gerade tödliche Bakterien dort eingenistet haben. Das „verseuchte“ Blut muss dann raus. Ihre Angst belastet sie gewaltig, aber fast ebenso stark leidet ihr Umfeld darunter, vor allem ihre Mutter und ihre beste Freundin Daisy. Das ist zwangsläufig auch für den Leser anstrengend. Ich möchte nicht unsensibel klingen, und es war auch interessant, Einblicke in ihre Denkweise und diese Gedankenspirale zu bekommen, nur haben sich im Buch daraus zwei Probleme ergeben:

  • 1. Kann die Geschichte natürlich nicht jede potenzielle Situation erzählen, in denen Aza in ihre Spirale kommt und dann an praktisch nichts anderes mehr denken kann. Nur bin ich gerade am Anfang ein wenig darüber gestolpert, wenn Dinge sehr genau beschrieben werden (zum Beispiel die morgendliche Routine), dann aber so Punkte wie das Mittagessen in den meisten Fällen übersprungen oder nur ganz oberflächlich behandelt werden. Wie gesagt: Ich muss von ihr nicht jedes Mal ausführlich hören, wie unangenehm es für sie ist, zu essen, aber durch diese Sprünge wirkt es zuweilen so, als hätte sie keine Angst vor der Angst, also als würde sie sich zwar irgendwo mit dem Auswirkungen ihrer Gedankenspirale beschäftigen, sich aber nicht sonderlich darum sorgen, ob sie nicht auftritt. Selbst, als ihre Gedankenspirale wirklich schlimm wird, werden diese normalen Dinge, die ihr Sorgen bereiten können, weitgehend übersprungen oder als völlig normal dargestellt. Das wird auch noch einmal richtig deutlich in Situationen, in denen ich es absolut verstehen könnte, wenn sie da befürchtet, krank zu werden: Einmal gehen Daisy und sie durch einen stillgelegten Tunnel, in dem es widerlich riecht und Ratten hausen.
  • 2. Aza versucht, verschiedenen anderen Menschen klarzumachen, wie ihre eigenen Gedanken sie mitunter gefangen halten und wie sie eben nicht entscheiden kann, woran sie denkt und woran nicht. Ein superschwieriges Thema für jemanden, der nicht direkt davon betroffen ist, keine Frage – aber dadurch werden Elemente der Geschichte einfach sehr repititiv. Es kommen immer wieder die gleichen sprachlichen Bilder vor, teilweise nur leicht abgewandelt. Und dadurch, dass sie mit unterschiedlichen Menschen spricht, muss sie natürlich immer wieder neu ansetzen; ihre Gesprächspartner haben natürlich nicht das Vorwissen des Lesers. Das hält leider irgendwann auf, man kann sich unter einer ausführlich erklärten Spirale halt ähnlich viel vorstellen wie unter einem ausführlich erklärten Strudel oder ähnlichen Dingen.

Und trotzdem: Ich fand sie sympathisch, ich kann es nicht an einem bestimmten Charakterzug festmachen, aber sie ist freundlich und macht Dinge abseits ihrer Gedankenspirale nicht unnötig kompliziert. Und Aza ist ncht nur das arme, traurige Mädchen, sondern pflegt auch eine innige Liebe zu ihrem ersten Auto, die ich sehr gut nachvollziehen kann, hängt leidenschaftlich ihrer Lieblingsband nach, für die sie eigentlich schon viel zu alt ist und ist insgesamt kein naives, weltfremdes Ding – sie weiß, wie Küssen geht (auch wenn sie der Austausch von Bakterien ziemlich fertig macht).

Daisy ist mein absoluter MVP in der Geschichte. Am Anfang dachte ich, dass sie einfach der überdrehte Clown an Azas Seite ist, der als Kontrast zu der ruhigen, introvertierten Protagonistin herhalten muss. Aber sie ist wirklich cool. Daisy schreibt Fanfics zu Star Wars, genauer gesagt Liebesgeschichten zwischen Wookies und Menschen, vor allem zwischen Chewbacca und Rey. Star Wars ist generell ein großes Thema bei ihr. Darüber hinaus hat sie wirklich viel Energie und ist oft sehr gut drauf und ein bisschen drüber, hat aber genauso ihre anderen Seiten: Ihre Eltern haben nicht viel Geld, sie muss in einem Fast-Food-Restaurant arbeiten und immer wieder auf ihre nervige kleine Schwester aufpassen, kann sich aber trotzdem keinen Laptop oder ein eigenes Auto leisten, an ein gutes College ist gar nicht zu denken. Und sie liebt Aza, auch wenn deren Krankheit sie sehr belastet und sie auch zugibt, dass es Energie zehrt, mit ihr befreundet zu sein. Zu einem Kackmove lässt Daisy sich auch hinreißen, aber insgesamt ist das eine großartige Freundschaft von beiden Seiten, die mich sehr gefreut hat – oft sind Freundschaften gerade in YA-Büchern eher Beiwerk, um die (Liebes-)Geschichte zu unterstützen. Hier ganz und gar nicht.

Davis ist ein eher ruhiger Charakter, deshalb versteht er sich auch so gut mit Aza. Er liebt die Astronomie und hat dran zu knabbern, dass sein Vater ihn und seinen kleinen Bruder Noah im Stich gelassen hat – gerade wegen seines Bruders, der damit gar nicht gut zurechtkommt. Er gibt sich wirklich Mühe, mit Azas Prolemen fertigzuwerden. Außerdem schreibt er gerne Gedichte auf einem privaten Blog. Ich habe lange kein Buch mehr gelesen, in dem so viele Zitate großer Literaten vorkamen, denn er eröffnet jeden Post mit einem.

Azas Mutter ist Lehrerin an der Schule der Tochter und sorgt sich sehr um sie. Azas Vater ist einige Jahre vorher gestorben, und die Mutter (ich glaube, sie hat keinen Vornamen in der Geschichte. Ich nenne sie jetzt Mrs. Holmes) hat eine Heidenangst davor, Aza auch noch zu verlieren. Gleichzeitig muss sie versuchen, sich nicht zu sehr in das Leben ihrer Tochter einzumischen. Mrs. Holmes will eigentlich nur helfen, findet aber nie den ganz richtigen Weg dafür. Mir tat sie sehr leid.

Die anderen Figuren sind nicht super wichtig. Mychal ist ein Freund von Aza und Daisy und ein Maler, er bringt hier und da noch ein paar künstlerische Einblicke, denn das Buch beschäftigt sich neben Literatur auch mit Malerei. Noah leidet sehr unter dem Verlust seines Vaters und flüchtet sich in Videospiele und Marihuana. Dr. Singh, Azas Psychiaterin, wirkt auf mich ziemlich wie das Klischee ihres Berufsstandes mit Phrasen wie „Das ist nicht unüblich” und dem Hang, auf Medikamente zu setzen. Trotzdem ist sie da, als Aza sie am meisten braucht und sie scheint ihr auch helfen.

Stil

Die Geschichte ist aus Azas Perspektive geschrieben. Was auffällt, aber durchaus dazu passt, ist, dass Aza oft in ihrer eigenen Gedankenwelt lebt: Es gibt kaum Beschreibungen, insbesondere von Personen. Daisy hat zwischendurch mal eine neue Frisur, im letzten Drittel erfahren wir, dass Davis eine Brille trägt, ansonsten hat es sich auch eigentlich…achso: Daisy zieht, weil sie nicht mit der Fast-Food-Uniform rumlaufen will, einmal Sachen von Mrs. Holmes an, weil sie eine ähnliche Figur haben – was auch immer das heißt.

Das Buch behandelt, wie schon „Eine wie Alaska”, viele philosophische Fragen, und ich glaube, so muss man das Werk auch lesen. Es geht um Zeit und Vergänglichkeit, um Angst und die Verbindung zu anderen Menschen. Um die eigene Zukunft, und wer man sein will. Zudem geht es um Kontrolle über das eigene Ich, und was das eigene Ich überhaupt ist. Ob es überhaupt ein eigenes Ich gibt, angesichts von unzähligen Bakterien, die in und auf einem Menschen leben und ohne die man nicht existieren könnte. Außerdem gibt es Krankheitserreger, die Fische dazu bringen können, an die Oberfläche zu schwimmen, damit sie von Vögeln gefressen werden und die Krankheitserreger sich dort weiterentwickeln können.

An einer Stelle (S. 211) wendet Aza sich sogar direkt an den Autor und bittet darum, dass es endlich aufhört. Sehr spannende Stelle, wie ich finde.

Fazit

Das Buch hat mich definitiv zum Nachdenken gebracht – etwas anderes habe ich von einem Green-Werk aber auch nicht erwartet. Die Figuren waren ganz nett (und Daisy war großartig!), ohne dass sie selbst zu sehr in die Tiefe gehen. Es ging halt eher um die genannten Fragen des Lebens. Schade fand ich, dass die Story, die insgesamt auf einen Bierdeckel passt, dadurch sehr verlangsamt wurde. Und ein bisschen weniger Wiederholung wäre auch nicht verkehrt gewesen. 3 von 5 Sternen.

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