Siege and Storm

Titel: Siege and Storm
Autorin: Leigh Bardugo
Verlag: Square Fish
Seitenzahl: 432

Genre: Fantasy

Da es sich hier um die Rezi zum zweiten Teil der Reihe handelt, beinhaltet auch der Klappentext schon Spoiler. Wenn ihr den ersten Teil noch lesen wollt, geht lieber zu dieser Rezi! Das gilt auch, wenn ihr die bald anlaufende Netflix-Serie sehen wollt und keine Lust drauf habt, schon etwas über die spätere (mögliche) Entwicklung zu erfahren.

Klappentext

Soldier. Summoner. Saint.

Alina Starkov’s power has grown, but not without a price. She is the Sun Summoner – hunted across the True Sea, haunted by the lives she took on the Shadow Fold. But she and Mal can’t outrun her enemies for long.
The Darkling is more determined than ever to claim Alina’s magic and use it to take the Ravkan throne. With nowhere else to turn, Alina enlists the help of an infamous privateer and sets out to lead the Grisha army.
But as the truth of Alina’s destiny unfolds, she slips deeper into the Darkling’s deadly game of forbidden magic, and further away from her humanity. To save her country, Alina will have to choose between her power and the love she thought would always be her shelter. No victory can come without sacrifice – and only she can face the oncoming storm.

Langrezi

Inhalt

Alina und Mal konnten aus dem Zugriffsbereich des Darklings fliehen und verstecken sich in Novyi Zem. Das geht nur erstaunlich wenige Seiten gut, denn der machtbesessene junge Mann vom Königshof ist ziemlich gut im Aufspüren von Leuten. Die beiden werden gefasst, lernen eine neue, zerstörerische Kraft des Darklings kennen und müssen ihm schließlich helfen, ein weiteres mystisches Wesen aufzuspüren, dessen Knochen Alinas Macht noch vergrößern sollen. Das alles geschieht ziemlich am Anfang des Buches, die Schlagzahl ist da erstaunlich hoch. So fällt es dann auch zunächst gar nicht so sehr auf, dass es danach wieder etwas runter geht, bis es schließlich zum großen Kampf kommt.

Der Mittelteil besteht wieder aus einer Menge Wirken am Königshof, dieses Mal – und das ist sehr erfrischend – ist Alina aber deutlich selbstbestimmter und ergreift viel häufiger die Initiative. Trotzdem dreht sich wieder einiges um Politik, in diesem Buch sogar nochmal deutlich mehr als im ersten Band. Klassische Action gibt es dann erst wieder im Finale, die kann sich aber durchaus sehen lassen und gehört dahingehend zu den Highlights in der bisherigen Geschichte, buchübergreifend.

Charaktere

Alina ist, wie gesagt, im Vergleich zum ersten Buch deutlich gewachsen. Sie ist, nicht nur was ihre Fähigkeiten angeht, um ein Vielfaches stärker, sondern weiß auch tendenziell eher, was sie will und setzt es gut durch. Dazu passt, dass sie inzwischen von einer wachsenden Anzahl an Menschen als Heilige verehrt wird, die das ganze Land retten soll. Trotzdem ist sie nicht perfekt und zeigt zum Beispiel auch Eifersucht gegenüber einer Grisha, die Interesse an Mal hat (S. 265).

Was dagegen auf die Dauer wirklich stört und in diesem Teil definitiv ausgeprägter ist, sind ihre Zweifel gegenüber Mal. Die beiden lieben sich, inzwischen weiß das der jeweils Andere auch, aber an jeder – wirklich jeder – möglichen Ecke misstraut sie ihm, fürchtet um seine Motive und Absichten. Das ist auf die Dauer wirklich anstrengend; man will sie rütteln und sagen „vertrau‘ ihm halt mal, wenn die Liebe wirklich so groß ist!“ Zugeben, Mal stellt sich auch nicht immer besonders geschickt an, provoziert einiges und ist ziemlich impulsiv. Aber dennoch: Diese Sicherheit, die sie in allen anderen Themen zumindest nach außen trägt, wäre da auch, wenigstens zwischendurch, mal angenehm gewesen. So wirken die Probleme in der Liebesgeschichte manchmal ein bisschen erzwungen, als hätte die Autorin Angst, dass es sonst zu glatt läuft.

Mal kämpft ein bisschen mit seiner Rolle am Hof. Offiziell darf er nicht mit Alina zusammen sein, weil sie als vermeintlich Heilige (und mutmaßliche Partnerin eines Prinzen, dazu gleich mehr) definitiv über seinem Stand ist. Also wird er der Chef ihrer Leibwache. Ansonsten fehlt ihm am Hof, zumindest am Anfang, der Anschluss. Er wurde, weil er Alina geholfen hatte zu fliehen, unehrenhaft aus der Armee entlassen, Grisha wie Menschen halten nicht besonders viel von ihm. Erst mit der Zeit schafft Mal es, mit seiner charismatischen Art Freunde zu gewinnen. Dennoch wird er Teil eines Fight Clubs, weil ihm eine klare, wichtige Aufgabe fehlt. Man kann zusammenfassen: Er ist ein loyaler (insgesamt gesehen), aber schwieriger Charakter.

Nikolai ist einer der Söhne des Königs und somit der Bruder des Darklings. Er reist als Pirat (er selbst bezeichnet sich als Privatier) durch die Welt, schließt sich dann aber Alina und Mal an und reist mit ihnen zurück zum Hof des Königs. Nikolai ist ein wirklich cooler Charakter: Er ist erfinderisch, witzig, hilft Alina bei ihrer Außenwirkung und hat das richtige Maß an Distanziertheit (man könnte „scheißegal-Einstellung“ sagen) und Sorge um das Königreich und deren Bewohner. Immer wieder deutet er Interesse an Alina an, um ihre Position zu stärken gaukelt er auch eine Beziehung mit ihr vor. Das sorgt für ordentlich Reibereien mit Mal. Ironischer Weise verstehen sich die beiden abgesehen vom Thema Frauen ziemlich gut. Irgendwie sind sie sich auch in maßgeblichen Charakterzügen zu ähnlich.

Die restlichen Figuren – größtenteils bekannt aus dem ersten Buch – bewegen sich wieder auf der oft sehr klischeehaften Ebene. David, der zurückgezogene und sozial unterentwickelte Erfinder, spielt eine größere Rolle, verschiedene Grisha – Alinas Second Army – verteilt sich auch auf der gesamten Attribute-Skala. Nikolai hat zwei Kämpfer mitgebracht, die ebenfalls Teil von Alinas Leibwache werden. Tamar und Tolya sind Geschwister, harte Kämpfer, vor allem Tolya ist groß, stark und wirkt nicht immer wie die hellste Kerze im Kronleuchter. Insofern auch nichts wunderbar Innovatives, aber einen Twist gibt es im Zusammenhang mit den beiden dann doch noch.

Der König ist ein launischer, fauler Sack, der dritte Sohn ist ein arroganter Schnösel, der sich mehr um Pferderennen als um Politik kümmert, trotzdem glaubt er, er hat den Überblick schlechthin. Ganz interessant, weil schwer zu durchschauen, ist noch der Apparat (ja, er heißt wirklich so). Er ist der Haus- und Hof-Geistliche, gibt sich unheimlich bis zum Abwinken und hat eine irritierende Fixierung auf Alina. Ich musste ein bisschen an Jafar aus der Disney-Version von Aladdin denken.

Und wie im ersten Buch gilt: Durch die Vielzahl an Charakteren ist die Geschichte trotz der relativen Überzeichnung der Figuren hier und da interessant zu lesen, die allermeisten dürften aber auch keine größere Rolle haben als sie bisher bekamen.

Themen

Das Buch beschäftigt sich unter anderem mit religiösem Fanatismus und der Frage, was zu hohe Erwartungen mit einem Menschen machen, wie sie ihn blockieren können. Dazu geht es zwischen Alina und Mal immer wieder um die Frage, wie weit Pflicht geht und wo man besser an sich selbst denken sollte. Ebenso sind Vorurteile ein großes Thema; wie im ersten Buch erwähnt, sind sich Menschen und Grisha und nicht einmal die Grisha untereinander sonderlich grün. Ich fand die Art und Weise, wie alle Themen angegangen werden, sehr angenehm. Die Geschichte beschäftigt sich regelmäßig damit, auch intensiv, aber es wirkt nie aufgezwungen oder zu überladen. Die Autorin findet da den richtigen Mix.

Auch werden immer wieder Feinheiten herausgestellt. Im Shadow Fold leben Monster, Alina sieht sie aber als einzige auch als das, was sie einmal waren: Menschen, die verwandelt wurden (S. 130-132). Das fand ich ich insofern sehr erfrischend, als dass große Mengen Feinde, vor allem nicht-menschlicher, gerne dazu genutzt werden, einfach nur Macht zu demonstrieren und eine große Anzahl Gegner abzuschnetzeln.

Ebenso ist das Thema Abhängigkeit und Rausch zu finden. Alina hat große Macht, die relativ schnell und unvermittelt auf sie eingeströmt ist. Das macht Lust auf mehr, die Kontrolle ist verführerisch. Der Sun Summoner hat durchaus Probleme, sich dagegen zu wehren (S. 104). Das erinnerte mich auch an Crooked Kingdom, wo das Thema Abhängigkeit von Drogen eine wesentliche Rolle für eine Figur spielt.

Stil

Die Geschichte wird wieder, abgesehen vom Pro- und dem Epilog, aus der Ich-Perspektive erzählt. Im Gegensatz zum ersten Band empfand ich es hier nie als zäh. Bei Shadow and Bone hätte ich mir zwischenzeitlich gewünscht, dass die Geschichte aus der Sicht eines anderen Charakters erzählt wird. Hier ist es völlig in Ordnung, bei Alina zu bleiben. Zwischenzeitlich werden auch echt schöne Sätze rausgehauen. Nur die ständigen Selbstzweifel nerven halt auch stilistisch ein bisschen, wenn eine Frage nach der anderen an sich selbst gestellt wird, à la „Vertraut er mir? Warum tut er das? Will er doch etwas anderes?“. Aber da kann der Stil weniger für, das liegt eben am Inhalt.

Fazit

Die Geschichte, die im ersten Buch Fahrt aufgenommen hat, rollt in diesem Buch richtig. Es war kurzweilig, spannend und konnte mich fesseln. Das Ende hat dankenswerter Weise eine dumme mögliche Richtung umschifft, und so hoffe ich, dass es im dritten Teil ähnlich gut weitergeht. Dann vielleicht sogar mit noch mehr Action und etwas weniger erzwungener Liebesprobleme. 4,5 von 5 Sternen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert