Lichttrinker

Gastbeitrag: Von Melissa

Titel: Lichttrinker: Nachtkönig
Autorin: Veronica Weinseis
Verlag: Selfpublishing
Erstveröffentlichung: 2. Dezember 2020
Seitenzahl: 662

Genre: Fantasy

Klappentext

Zwischen Leben und Tod liegt Unsterblichkeit. Doch was passiert, wenn jemand stirbt, der nicht sterben kann?

Anders‘ Tochter Madison wird von einem albtraumhaften Schattenwesen bedroht. Um sie zu retten, reist Anders nach Ranulith, eine Welt, in der Finsternis fremd ist. Sein Auftrag: Die Essenz der Dunkelheit zurückholen, die die unsterbliche Königin Elrojana gestohlen hat. Doch dort gerät er immer tiefer in die Rebellion, die sich gegen Elrojana erhebt, und zieht den Blick düsterer Götter auf sich.

Diese Geschichte erzählt von den Fesseln des eigenen Verstandes und einer Welt voller fremdartiger Magie. Hier gibt es keine Helden, kein Gut oder Böse, nur Individuen mit Zielen und unterschiedlich viel Macht, sie zu erreichen.

Begleite Anders durch Ranulith, eine Welt, in der die Sonne nie untergeht. Schmiede gemeinsam mit Thalar Pläne, eine unsterbliche Königin zu stürzen. Kämpfe zusammen mit Nereida gegen die Schatten ihrer Vergangenheit.

Lichttrinker ist der Auftakt einer epischen Geschichte und Teil eins eines Doppelbandes. Es legt den Grundstein für eine Welt voller unterschiedlicher Kulturen und Ausprägungen von Magie, die erst nach und nach klarer werden. Lerne immer mehr über Gewirrspinner, Silberzungen, Saltastellari und viele mehr.

Ein düsterer Fantasyepos fernab von Elfen und Zwergen!

Langrezi

Positive Punkte

Guter Stil allein reicht nicht
„Lichttrinker: Nachtkönig“ ist der Auftaktband einer auf sechs Bände ausgelegten Dark-Fantasy-Reihe. Ganz schön viel, was sich die Autorin da für ihr Debüt vorgenommen hat.

Eins vorweg: Veronica Weinseis kann schreiben. Der Stil ist durchweg gut zu lesen, sprachlich ist daran nichts auszusetzen. Und auch das Korrektorat hat sehr gute Arbeit geleistet – auf den ganzen 554 Seiten findet sich kaum ein Schreib- oder Grammatikfehler. Auch das Cover ist absolut top. Doch viel mehr Gutes kann ich leider über diesen Auftaktband der Reihe nicht sagen.

Da ich meine Kritikpunkte begründen möchte, gerät diese Rezension etwas länger. Das liegt einfach daran, dass ich konstruktiv kritisieren möchte und nicht einfach nur sagen will, dass ich das Buch nicht gut fand. Aufgrund der Begründungen enthält diese Rezension auch SPOILER – wer das Buch also noch lesen möchte, sollte bitte ab hier nicht mehr weiterlesen, sondern direkt zum Fazit springen. Natürlich sind alle Punkte, die ich nun aufführe, subjektiv – andere Leser scheinen das Buch ja durchaus sehr positiv zu bewerten.

Kritikpunkt 1: Die Charaktere

Mit dem Hauptprotagonisten Anders bin ich von Anfang bis Ende nicht warm geworden. Er strauchelt in seinem Leben, sucht die Schuld daran aber nicht bei sich selbst, sondern bei allen anderen – seiner Kollegin, seinem Chef und seiner Frau, die sich von ihm getrennt hat. Dass sie für diese Entscheidung gute Gründe hatte (unter anderem seine Alkoholsucht), übersieht er. In den Kapiteln, die aus seiner Sicht geschrieben sind, denkt er immer wieder, dass sie „ihren Fehler“ schon noch einsehen wird und er sie wieder „zurückbekommt“. Sein Umgang mit ihr ist respektlos, er drängt sich in das ehemals gemeinsame Haus und respektiert ihre Wünsche nicht. Zuerst dachte ich, es sei vielleicht gewollt, dass man ihn unsympathisch findet und er eine Wandlung im Laufe des Buchs durchmachen wird. Doch das passiert leider nicht, er bleibt der Unsympath, der er von Anfang an ist.

Eine Figur, die durchaus sehr interessant hätte werden können, ist Atlar, der „Schwarze Mann“. Vom anfänglichen Gegenspieler wird er zum zweckgebundenen Verbündeten. Doch sein Potenzial wird (zumindest in diesem Band) nicht genutzt.

Die anderen Charaktere bleiben zumeist eher blass, erfüllen ihre Aufgabe im Plot, aber mehr leider auch nicht. Manche sind inkonsistent, wie z.B. Anders´ „Führerin“ in der für ihn unbekannten Welt. Aufgrund seiner Herkunft aus unserer Welt soll sie eine tiefe Abneigung gegen ihn und Atlar haben – die zeigt sie ab und zu, bei anderen Gelegenheiten scherzt sie mit Anders und erzählt ihm sogar intime Details aus ihrer Vergangenheit. Das passt nicht, wie ich finde.

Kritikpunkt 2: Das Worldbuilding, bzw. die Erklärungen dazu

Die Welt, die Veronica Weinseis geschaffen hat, ist sehr komplex. Wirklich SEHR komplex. Normalerweise finde ich das klasse und liebe Fantasy-Welten, die sich durch diese Komplexität echt anfühlen. Das funktioniert aber nur, wenn man nicht mit Begriffen, die einem nichts sagen können, erschlagen wird und diese auch nicht erklärt werden. Ganz hinten im Buch ist ein Glossar – finde ich super. Aber ein Glossar ist nicht dazu da, die Erklärungen im Text selbst auszulassen. Man soll ein Glossar nicht vor dem Lesen des Romans auswendig lernen müssen, um sich in der Welt zurechtzufinden.

Es gibt ein komplexes Magiesystem, das jedoch nicht oder erst sehr spät ansatzweise erklärt wird. Dazu kommen Orte (in der eBook-Version fehlt eine Karte), Götter, Völker … Man wird regelrecht erschlagen von Namen und Begriffen, die man sich aufgrund des fehlenden Verständnisses nicht mal eben alle so merken kann.

Kritikpunkt 3: Der Aufbau des Buches an sich

Normalerweise gibt es mehrere Spannungsbögen und Handlungsstränge, die zu einem gemeinsamen Höhepunkt gegen Ende des Romans zusammenlaufen und im Showdown enden. Ja, das ist ein Auftaktband, da kommt noch mehr. Aber auch in einem ersten Teil sollte man einen Aufbau erkennen können, es sollte einen Höhepunkt geben, ein (offenes) Ende, das Lust auf den nächsten Band macht. All das vermisse ich hier. Die Handlung plätschert vor sich hin, am Ende des Buches haben unsere „Helden“ fast nichts erreicht und wir sind nicht viel weiter als am Anfang.

Weitere Kritikpunkte

Die Krieger der bösen Königin sollen bestimmt furchterregend sein – leider sind sie das überhaupt nicht. Dafür reden sie viel zu viel. Einer, der Redseligste, erinnert an einer Stelle sogar an ein quengeliges Kind, dem sein Spielzeug weggenommen wurde – alles andere als furchterregend.

Ein weiterer Protagonist, Thalar, wird sexuell übergriffig, ein Nein wird nicht akzeptiert, sondern einfach übergangen – was aber in keiner Weise als negative Handlung dargestellt wird, im Gegenteil, er wird belohnt, indem das Ziel seines Begehrens ihm von seiner Jugend erzählt. Thalar soll auch vermutlich ein Sympathieträger sein, doch bei mir kommen da leider keine Sympathien auf.

Die Gruppe bricht zu ihrer Mission auf – und vergisst dabei, dass DAS Fest des Jahres unmittelbar bevorsteht, bei dem man als Mensch auf keinen Fall ungeschützt in der Wildnis sein sollte. Natürlich können sie sich einen Unterschlupf sichern, aber sie sind gezwungen, zwei Wochen lang an diesem Ort zu bleiben – wo nicht wirklich viel passiert. Das schlechte Timing wird auf eine Verzögerung von zwei Tagen vor der Abreise geschoben. Nach dem Fest sind sie aber noch längere Zeit bis zu ihrem Ziel unterwegs, also hätten sie es nie und nimmer rechtzeitig dorthin geschafft. Das ist ein klarer Logikfehler.

Anders überwindet seine Alkoholsucht mittels kaltem Entzug, der wundersamerweise schon nach ein paar Tagen vorbei ist – danach ist seine Abhängigkeit bis zum Schluss kein Thema mehr und wird nicht mehr erwähnt. Halte ich nicht für wirklich realistisch. (Ja, solche Vorgänge sollten auch in Fantasyromanen realistisch sein, denn Anders ist ein Mensch aus unserer Welt und die überwinden ihre Süchte nicht mal eben in ein paar Tagen.)

Um eine Magieform zu erlernen, die die Rebellen im Kampf gegen die böse Königin benötigen, ist Thalar gezwungen, einem Verbündeten auf grausame Weise zu schaden – dieser opfert sich freiwillig für die Sache. Die Prozedur wird jedoch nicht nur NICHT gezeigt – in der nächsten Szene ist Thalar in keiner Weise mitgenommen von dem, was er tun musste, es wird noch nicht einmal erwähnt.

Fazit

Dies sind alles Punkte, die mich das Buch leider nicht gut bewerten lassen. Da das Buch ein Lektorat durchlaufen hat, frage ich mich ehrlich, was der Lektor oder die Lektorin eigentlich fürs Geld getan hat. Denn genau diese Punkte, die ich aufgezählt habe, sind doch das, was einem Lektor auffallen sollten. Charaktere, die sich nicht entwickeln, die sich einmal so und dann wieder ganz anders verhalten, Logikfehler, Erklärungslücken, unverständliche Zusammenhänge – genau um solche Schnitzer zu finden, engagiert man doch einen Lektor.

Man merkt, wie viel Arbeit in dieser Welt steckt – das macht es umso bedauerlicher, dass die angemerkten Kritikpunkte nicht im Vorfeld entdeckt und behoben wurden.

Das Ende von „Lichttrinker: Nachtkönig“ lässt den Leser mit vielen Fragen zurück, die vermutlich in den Bänden, die noch folgen sollen, beantwortet werden. Ich werde auf diese Antworten jedoch verzichten, da ich beim Lesen dieses Auftaktbandes zu oft frustriert und genervt war. Sollte die Autorin in Zukunft ein Werk außerhalb dieser Reihe veröffentlichen, schaue ich aber bestimmt einmal rein. Ich würde ihr nur raten, vorher den Lektor zu wechseln, denn dieser hat bei „Lichttrinker: Nachtkönig“ keine gute Arbeit geleistet. 1 von 5 Sternen.

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