Titel: Girls Of Paper And Fire
Autor: Natasha Ngan
Verlag: Jimmy Patterson Books
Seitenzahl: 400
Erstveröffentlichung: 6. November 2018
Genre: Fantasy
Inhalt
Lei gehört der Papierkaste an, die niedrigste und meist verfolgte Kaste im Land Ikhara. Eines Tages wird sie entführt – das Mädchen mit den goldenen Augen, dessen Schönheit die Aufmerksamkeit des Königs auf sich gezogen hat. Lei wird in den Palast gebracht, um mit 8 anderen Mädchen zu einer königlichen Kurtisane erzogen zu werden. Hier geschieht das unmögliche – Lei verliebt sich.
Ihre verbotene Romanze ist verstrickt mit einer explosiven Verschwörung, die die gesamte Lebensweise ihrer Welt bedroht. Lei muss sich entscheiden, wie weit sie bereit ist, sich für Gerechtigkeit und Rache einzusetzen.
Langrezi
[Diese Rezi enthält Spoiler. Wenn ihr das Buch noch lesen wollt, solltet ihr hier erstmal aufhören zu lesen.]
In dieser Welt gibt es drei Kasten, Paper, Steel und Moon. Paper sind normale Menschen, Steel Menschen mit ein paar Tiereigenschaften (z.B. Eselsohren) und Moon humanoide Tiere. Der König zum Beispiel ist ein Bulle, der gerade noch so menschlich aussieht.
Ich fand das etwas schräg und hätte es lieber gehabt, wenn es nur Menschen gegeben hätte, aber sei’s drum. Lei ist ein Paper Mensch, hat aber goldene Augen, weswegen sie irgendwann von einer Wache gekidnappt wird, der sich beim König einschleimen will und sie ihm als 9. Paper Girl bringt, die diesjährigen Huren des Königs. Die werden jedes Jahr neu gewählt und dürfen dann für ein Jahr seine Gespielinnen sein, bevor sie an einen Freund des Königs verscherbelt werden.
So weit, so gut. Wir folgen Lei auf ihrer Reise zum Palast und ihrer dortigen Ausbildung als Kurtisane, die spannend sein könnte, aber so dröge wie möglich erzählt wird. Lei ist ständig im Unterricht, was sie lernt, wird nicht erzählt (außer irgendwann Tanz), und erst, als sie zum König muss, wird sie über Sex (und gewisse Praktiken) aufgeklärt. Die sind da für Monate, und für das essentielle Thema reichen dann scheinbar drei Stunden. Na ja.
Charaktere
Die anderen Paper Girls werden lang und breit beschrieben, von denen ist leider niemand wirklich interessant, genauso wenig wie die beiden Lehrerinnen, die nach dem Muster Guter Cop – Böser Cop erstellt worden sind. Das sind auch fast alle Charaktere, mit denen es Lei zu tun bekommt.
Wer ist Lei überhaupt? Ein Mädchen aus einem Kaff mit goldenen Augen, und das beschreibt sie schon sehr eindrucksvoll. Sie hat nichts, kann nichts, tut nichts, außer mal in bestimmten Situationen die Klappe aufzureißen, vor allem, wenn es wirklich nicht klug für sie ist. Sie ist eine nervige Mary Sue, leider nicht besonders intelligent oder in irgendeiner Art spannend. Deswegen war ihre Geschichte etwas qualvoll zu lesen.
Ganz interessant ist dafür, in wen sie sich verliebt, denn auch eine Vergewaltigungsstory darf ein bisschen Romantik haben. Lei fühlt sich zu Frauen hingezogen und verliebt sich in Wren, ein anderes Paper Girl, die das komplette Gegenteil von ihr ist: Sie kann alles (wirklich alles), ist beherrscht, ruhig, agiert weise. Warum sich eine wie sie in Lei verlieben soll, bleibt bis zum Ende fraglich, aber ihr Übercharakter nervt irgendwann auch extrem.
Die weitere Story
Weiter im Text: Nach ein paar Wochen Unterricht bekommt die Gruppe regelmäßig mittags ein kleines Schildchen, auf dem der Name des Mädchens steht, das in der Nacht dann das Glück hat, den König zu bespaßen aka vergewaltigt zu werden. Und alle werden genannt bis auf Lei, und das Buch zieht sich und zieht sich mit Unterricht und Dialogen, und es passiert einfach nichts, bis Lei dann doch dran kommt.
Der König begründet das mit einem „Das Beste kommt zum Schluss“, und nachdem wir Lei als relative Lusche kennengelernt haben, frag ich mich, ob er dumm ist, aber gut. Lei kann vor ihm fliehen, bevor er sie vergewaltigen kann, und wird dafür eine Woche eingesperrt. Und dann geht das Leben weiter mit Unterricht und Dialogen, und es passiert wieder nichts, und das Ganze fand ich furchtbar inkonsequent, denn jedes Mädchen wird für kleinste Vergehen fürchterlich bestraft, aber Lei ist nach einer Woche Knast quasi durch? Plot Armor, anyone?
Ich kann verstehen, wenn man die Vergewaltigung einer Protagonistin nicht unbedingt an den Anfang der Geschichte setzt, damit man nicht zu früh so einen gebrochenen Charakter hat, aber das hat für mich keinen Sinn ergeben. In den wenigen Situationen, in den wir den König sehen, ist er extrem grausam, tötet, quält, verschachert Paper Familien als Sklaven wie auf einem Markt. Der vergleichsweise sachte Umgang mit Lei ist dann doch etwas albern in dem Kontext.
Das Jahr am Hof geht weiter und Lei entdeckt, dass Wren Geheimnisse vor ihr hat. Mit der Zeit erfahren wir: Wren ist die letzte Überlebende eines übermächtigen Kriegerclans (der vom König vernichtet wurde), weswegen sie auch so über ist. Ihre Zieheltern haben sie an den Hof geschickt, um den König zu ermorden. Wieso sie das im Verlauf des Buches nie tut, wenn sie zu ihm gerufen wird, wird mit einem „Der Zeitpunkt muss stimmen“ erklärt. Wieso oder für wen, wird nie gesagt, also muss man es abnicken und sich still und heimlich denken, wie bescheuert das Ganze ist. Der engste Berater des Königs, der ständig bewaffnet neben ihm steht, ist übrigens auch Teil vom Widerstand, aber ihm fällt es auch nie ein, mal was zu tun, während der König immer grausamer wird und metzelt, wie er gerade Bock hat. Wo bleibt Jaime Lannister, wenn man ihn braucht?
Alles dafür, dass Wren dann unter einem fadenscheinigen Grund vom Hof geschickt wird in der Nacht, als sie ihn töten soll, und damit fällt das ganze Unternehmen in Leis Hände, Lei, die nichts weiß und auch nichts kann. Im Buch wird sogar noch damit angegeben, dass dieser höchstgeniale Plan (→ Paper Girl tötet König) 200 Jahre gebraucht hat, um derart genial entworfen zu werden, und dann soll Lei das tun. Über beides kann man nur lachen.
Im Moment höchster Not ist Wren dann doch auf einmal wieder da, um Lei vor dem Tod zu bewahren, Lei hat den König doch irgendwie erstechen können, und die beiden reiten auf einem riesigen Eulenmenschen in Richtung Zukunft. Ende.
Kurzer Switch zurück zum König, der immer noch atmet, und man weiß, dass Lei nicht nur dumm, sondern sogar unfähig ist. Wie es weitergeht, werde ich wohl nie rausfinden, weil es mich einfach nicht interessiert.
Zum sexuellen Missbrauch
Tatsächlich wird Lei dann im Laufe des Buches noch einmal zum König geschickt, und dieses Mal kann sie nicht fliehen. Die Szene endet damit, dass er ihr die Kleider vom Leib reißt, dann blendet es ab und geht damit weiter, wie Lei blutverschmiert aus dem Zimmer taumelt.
In ihrer 1,5-seitigen Triggerwarnung schreibt die Autorin darüber, dass sie selbst Opfer vom Missbrauch wurde, was ich in dieser Art ganz interessant fand, denn so kann die Aufarbeitung sehr authentisch geschildert werden. Ich fand es auch gut, dass sie die Szene nicht ausformuliert hat, um keinen Platz für Voyeurismus zu geben, aber der Umgang danach war schon extrem lachhaft. Lei beginnt das nächste Kapitel damit, dass sie zerbrochen ist – verständlich – und es wird noch hier und da angedeutet, wenn sie mit Wren zusammen ist, sonst bekommt seelische Aufarbeitung überhaupt keinen Platz, es wirkt zum Teil so, als wäre es gar nicht passiert. Lei hasst den König jetzt noch mehr, aber davon ab ändert sich nichts, auch in ihrer Gedankenwelt nicht. Das fand ich sehr unrealistisch, und das hat mich auch sehr enttäuscht, weil man da vieles hätte schreiben können, was man auch anderen Opfern etwas hätte mitgeben können. Das wurde leider überhaupt nicht genutzt.
Fazit
Daher hat mich das Buch auf jeder erdenklichen Weise enttäuscht, mehr noch, es hat mich wütend gemacht, wann immer solche Begriffe fielen wie „Mädchen aus Feuer“, bei denen ich immer an Hunger Games denken musste, wo aber einfach alles viel besser ausgearbeitet war. Hier ist alles einfach unterirdisch, der Plot, die Charaktere, das Worldbuilding, der Umgang mit sexueller Gewalt. Ich kann es nicht im Geringsten empfehlen. Ein Stern.