Titel: Der General in seinem Labyrinth
Autor: Gabriel García Márquez
Seiten: 345
Erstveröffentlichung: November 1992
Genre: Biografische Fiktion
Klappentext
Simón Bolívar, der legendäre Befreier Südamerikas, begibt sich auf seine letzte Reise über den Rio Magdalena, an deren Ende ihn der Tod erwartet. Während dieser letzten Fahrt läßt der General sein Leben Revue passieren, er, der Visionär und Held, Glücksritter und kultivierte Bücherwurm, Don Juan und Freund aller Lebensgenüsse, eine Persönlichkeit, die schon zu Lebzeiten ein Mythos geworden ist. In seinen Erinnerungen und Träumen mischen sich Melancholie und Trauer, Magie und Wunderlichkeiten mit der Faszination der Macht.
Vorwort
Die besten Bücher sind meistens die, von denen man am wenigsten erwartet. Bei „Der General in seinem Labyrinth“ war es eine besondere Situation, die ich so niemals vorher und seitdem auch nicht wieder erlebt habe. Denn meine Erwartungen waren unfassbar hoch und gleichzeitig eigentlich nicht vorhanden. Das Buch ist nämlich das Lieblingswerk von Alaska Young, der Protagonistin von „Eine wie Alaska“. Eine Geschichte, die bei mir sehr hoch im Kurs steht – dazu wird es auch noch eine Rezi geben.
Inhalt: Eine wie Alaska
Ich-Erzähler der Geschichte ist der 16-jährige Miles Halter, ein schüchterner Junge, der auf einem Internat landet. Dort lernt er unter anderem Alaska Young kennen, die ihn sofort fasziniert. Fast ebenso schnell verliebt er sich in sie. Alaska ist unfassbar aufgedreht, aber dahinter befindet sich ein vielschichtigerer Charakter – mit Fehlern und Kanten. Das Leben mit den alltäglichen Problemen zieht dahin, bis sich durch ein Ereignis alles ändert. Eine neue Aufgabe wird für Miles und seine Freunde wichtig, die ganz zu lösen unmöglich ist. An dieser Stelle eine absolute Leseempfehlung für dieses Buch.
Alaska zitiert sehr oft aus „Der General in seinem Labyrinth“, und da ich neben ihrem Charakter auch die von ihr genannten Zitate immer wahnsinnig interessant fand, beschäftigte mich auch ihr Lieblingsbuch noch längere Zeit. Also stöberte ich eines Abends im Internet, ob es das Werk überhaupt gibt. Während ich das tat, überlegte ich mir, ob ich es, wenn es denn existiert (nicht wissend, dass es sogar von einem Literatur-Nobelpreisträger geschrieben wurde), kaufen sollte. „Für einen angemessenen Preis“, entschied ich. Neugierig war ich zwar, die Thematik allerdings – der lateinamerikanische Freiheitskämpfer Bolívar aus dem 19. Jahrhundert – interessierte mich aber nicht besonders. Ich fand das Buch schließlich, angeboten für den Preis von einem Cent plus Versandkosten. Viel falsch machen kann man da nicht.
Langrezi
Wie gesagt: Mit der Thematik als solche habe ich mich davor nicht besonders beschäftigt, und auch nach der Lektüre von „Der General in seinem Labyrinth“ hat sich das nur geringfügig geändert. Es ist einfach eine Zeit, die mir nicht besonders wichtig ist. Deswegen kämpfte ich mich durch die ersten Seiten auch fast ausschließlich für Alaska, wenn man das so sagen möchte. Irgendwann aber war dieser externe Antrieb nicht mehr nötig, ich flog selbst durch das Buch. Auch wenn es kein Fliegen durch eine Geschichte im klassischen Sinne war. Denn leicht ging es selten über die Seiten.
Inhalt: Der General in seinem Labyrinth
In der Geschichte geht es um den gealterten und von Krankheit, vor allem aber von politischen Entwicklungen gezeichneten, Simón Bolívar. Er wurde von der Spitze der Macht vertrieben, ehemalige Weggefährten wenden sich von ihm ab, und er hat das Gefühl, sein Vermächtnis – der Traum eines Großkolumbien, das unter anderem Teile Venezuelas, Guyanas, Ecuadors und Perus umfasst – zerbricht. Bolívar soll ins Exil nach Europa. Auf der langen Reise quer durch Südamerika lässt er sein Leben Revue passieren, seine Fehler wie seine Erfolge. Mit einem ganz und gar nicht objektiven Blick wird das Ganze eingeordnet – von ihm und dem Erzähler.
„In Wahrheit gibt es hier keine Parteien, nur solche, die für mich sind, und solche, die gegen mich sind.“[…] „Und wenn die es auch nicht glauben, niemand ist liberaler als ich.“
Simón Bolívar, S. 99
Immer wieder muss sich Bolívar verteidigen. Für seine Politik, sein Vorgehen, seine Entscheidungen. Er tut dies mit all seiner noch verbliebenen Kraft.
Stil
Dabei passt sich das Erzähltempo gut dem Protagonisten an. Es ist behäbig, ruhig, verliert sich immer wieder in Details, die Bolívars Verbindung zur Staatspolitik aufrecht erhalten sollen – mit der Zeit aber immer mehr den Feinheiten seiner Umwelt und den Erinnerungen früherer Tage, bis hin zu seiner Kindheit, weichen.
Es ist interessant zu sehen, wie der in vielen Bereichen verbitterte Sterbende mit den neuen und alten Umständen umgeht und wie er sich selbst bewertet. Es fließen einige historische Fakten mit ein, das kann man gut oder schlecht finden, es zeichnet aber ein recht umfassendes Bild der angeschnittenen Thematiken. Gleichzeitig macht es das Lesen aber auch schwieriger; die Erzählung springt gerne zwischen den Ereignissen, in der Vergangenheit und der Gegenwart der Geschichte, was nicht immer auf Anhieb deutlich wird. Aufmerksamkeit ist das höchste Gebot. Allerdings ist die „Witcher“-Serie diesbezüglich schlimmer. Kurz vor dem Schlafgehen sollte man das Buch trotzdem definitiv nicht zur Hand nehmen. Ganz am Ende gibt es aber auch noch eine tabellarische Darstellung der Entwicklungen, vorne findet sich eine grobe Karte.
Fazit
Es ist ein besonderes Buch, so viel steht fest. Und ein Buch, das mir sehr gefallen hat, gleichzeitig war ich nicht traurig darüber, als ich es beendet hatte. Es ist keine reine Biografie, aber auch kein Roman, und es ist voll von Melancholie, von einer bedrückenden Grundstimmung und wenig tatsächlicher Handlung – die letzte Reise eines Sterbenden eben. Und trotzdem bietet es wunderbare Ansätze für eigene Gedanken und auch den ein oder anderen Satz, der im Gedächtnis bleibt. Dabei fällt mir vor allem der Titelgebende ein, den auch Alaska immer zitiert hat, obwohl es für mich weit mehr geworden ist als nur eine Wiederholung ihrer Ansichten. Das Zitat im Kontext:
Der General beachtete die kunstvolle Antwort nicht, da ihn die überwältigende Offenbarung durchschauerte, daß der wahnsinnige Wettlauf zwischen seinen Leiden und seinen Träumen in jenem Augenblick das Ziel erreichte. „Verflucht nochmal!“, seufzte er. „Wie komme ich nur aus diesem Labyrinth heraus!“
S. 344
Alaska deutet das Zitat als Beschreibung des Lebens als ewiges Labyrinth aus Ängsten und Sehnsüchten, das nur durch den Tod zu verlassen ist. Man muss die Ansicht nicht teilen, aber man sollte definitiv darüber nachdenken. 4 von 5 Sternen.