Calendar Girl

Titel: Calendar Girl – Verführt: Januar/Februar/März
Originaltitel: Calendar Girl Quartal 1
Autor: Audrey Carlan
Verlag: Ullstein
Erscheinungsdatum: 27.6.2016
Seiten: 368



Thema: Liebe, Sex
Genre: Romance
Geeignet für: Fans von „prickelnder“ Literatur
Vergleichbar mit: 50 Shades of Grey

Kurzrezi (spoilerfrei) 

Um ihren Vater von seinen Spielschulden zu befreien und somit sein Leben zu retten, nimmt Protagonistin Mia einen Job als Escort-Girl an, mit dem Vorsatz, sich nicht zu verlieben. Natürlich ist aber jeder Mann, den sie trifft, engelsschön, weswegen ihr Vorsatz schnell zu bröckeln beginnt.
Ohne viel spoilern zu wollen: Wer einfach nur eine Masturbationsvorlage mit ein bisschen Story haben will, ist hier richtig. Die Sexszenen sind tatsächlich ziemlich ansprechend und überraschend uncringy geschrieben. Wem 50 Shades gefallen hat, aber gerne etwas hätte, was ein bisschen besser geschrieben ist, der wird hier glücklich.
Wer jedoch ein kleines bisschen Anspruch an eine gute Story und Ausarbeitung von Charakteren hat, der ist hier falsch.

Langrezi (für alle, die das Buch schon gelesen haben oder es nicht lesen wollen) 

Calendar Girl ist kein Buch, für das ich den vollen Preis bezahlen würde, das vorweg. Ich wusste, dass ich mich damit sehr stark außerhalb meiner Komfortzone bewege, aber man muss seinen Horizont ja auch manchmal öffnen, nicht wahr? 
Ich habe es ein bisschen aufgeteilt, um mich in aller Ruhe über jeden Teil aufregen zu können. 

Inhalt/Plot

Wir haben hier ein ganzes einfaches Setting:
Mia (arm) → braucht aus einem Grund Geld → wird ein Escort-Girl für 12 Monate
Das ist nicht weiter spannend und wird auch nie groß weiter spannend gemacht. Wir treffen nur wenige Charaktere, davon ihre Tante, die passenderweise einen Escortservice besitzt. Das Hauptaugenmerk liegt auf Sexszenen, viel Story gibt es nicht. Wir treffen Mr. Januar, Mr. Februar und Mr. März und es wird gevögelt. Die Hintergrundgeschichte mit dem Vater bzw. dem „Antagonisten“ wird ein einziges Mal (Besuch im Krankenhaus bzw. Treffen im Casino) gezeigt, sonst wird das alle naselang erwähnt, damit wir Leser auch ja nicht vergessen, wieso sie das macht. Durch die nicht-existente Story wird es auch sehr schnell sehr langweilig.

Charaktere

Die Charaktere bleiben alle sehr blass und sind unterdurchschnittlich ausgearbeitet, was ich der Autorin wirklich stark ankreide. Gerade so eine Story, in der es um zwischenmenschliches Irgendwas geht, lebt doch von starken Charakteren. Aber kaum einer der auftretenden Menschen hat mehr als eine, vielleicht zwei Eigenschaften.
Mia ist hübsch und hat dicke Brüste. Ihr Credo durch das ganze Buch ist: „Bitte erbarme dich meiner und vögel mich“, zusammen mit „Aber ich bin ein Bikergirl, vergiss das nicht, wenn ich zu 0815 wirke.“ Davon abgesehen ist sie als Protagonistin reichlich anstrengend. Sie ist dumm, ungebildet, eingebildet und zickig. Keine angenehme Kombi für ein Escort-Girl, aber zum Glück hat sie dicke Titten. Ich würde ehrlich gesagt kein Geld für ihre Gesellschaft zahlen.
[Was mich sehr verwirrt hat: In einer Szene werden ihre Maße von einem Designer geschätzt auf 1.75m und 65kg, was lustigerweise fast genau meinen Maßen entspricht. Gehen wir davon aus, dass das stimmt, so passen folgende Aussagen nicht überein: Mia sagt über sich, dass sie 38, manchmal sogar (sogar!) 40 trägt. Das passt. Dann beschreibt sie sich selbst als schlank, könnte einen Kilo abnehmen. Passt auch. Dann betitelt sie sich selbst mehrmals als eine Frau mit Rubensfigur. Dafuq?
Wenn ich von meinem Körperbau ausgehe und sie nun mal ihre dicken Oschis hat, dann bleiben da nicht mehr viele Kilos, um sie zu einer verdammten Rubensfigur zu machen. Und das wird recht oft erwähnt. Also ich habe keine Rubensfigur, herzlichen Dank, und auch, wenn wir alles umproportionieren, wird da bei dem Gewicht und der Größe höchstens eine draus, wenn sie die Stielbeine einer Zehnjährigen hat.]
Wes ist reich, sieht gut aus und hat nen dicken Lümmel.
Alec ist reich, sieht gut aus und hat nen dicken Lümmel – und er ist Künstler.
Anthony ist reich, sieht gut aus und hat nen dicken Lümmel – und er ist schwul.
Die Autorin hat sich da mit Kreativität selbst übertroffen.
Alle anderen Nebencharaktere bleiben noch blasser. Mias Schwester, ihre beste Freundin, ihre Tante – sie tauchen ein paar Mal auf, hinterlassen keinen Eindruck und manchmal auch keinen Einfluss auf das Geschehene.
Das, was ich heute in die Porzellanschüssel gedrückt hab, hatte mehr Tiefgang als die Charaktere.

Stil

Er ist besser als in 50 Shades und damit ist auch schon alles Positive gesagt. Viele Hauptsätze, viele Adjektive, viele Beschreibungen von Zimmern, Einrichtungen, natürlich Männern. Ich habe es jetzt auf deutsch gelesen, aber ich schätze das Original so ein, dass man es mit wenig Englischkenntnissen gut verstehen würde.

Escortservices

Ich weiß natürlich nicht, wie das in Amerika läuft, aber in Deutschland sind die Ansprüche für nicht-sexuelle Escort-Girls, die im hohen Bereich verdienen, recht hoch: Man braucht einen Uniabschluss, ein hohes Allgemeinwissen, man muss mindestens eine Fremdsprache sprechen und Standardtänze können. Ein gepflegtes Aussehen gehört natürlich dazu. Und ja, ich habe das mal gegoogelt. Auch die Verdienste kann man sich online anschauen. Dass ein Mädel aus dem Nichts mit einer kaum existenten Bildung 100.000 im Monat verdienen solle (plus Abschlag für den Escortservice), das klingt einfach nach Nonsens. Dass sie das ohne eine Schulung oder Einarbeitung machen kann, ist ebenfalls Nonsens.

Ein Wort zum Feminismus

Ich würde mich nicht als Hardcorefeministin bezeichnen, aber dieses Buch ist ein Grund, wieso wir Feminismus brauchen. Zum einen ist dieses typische Machtgefälle zwischen reichen Typen (reich sein ist auch Macht) und der armen Mia, die sich letztendlich prostituiert (aber natürlich nur, weil sie so heiß sind), nicht die glücklichste und auch eine ziemlich langweilige Kombination. Zum anderen gibt es ein paar Szenen, die mich wirklich betroffen gemacht haben.
Beispiel: Ihr zweiter Kunde rückt Mia ganz schön auf die Pelle. Sie geht aber nicht weg und erträgt die Nähe (ja, da steht wirklich „erträgt“), weil sie es als unhöflich betrachtet, vom ihn wegzurücken.

„Mit einer Seite klebte er direkt an meinem Körper. Würde ich wegrücken, wäre es zu offensichtlich, und ich wollte nicht schon wieder einen schlechten Eindruck machen. Daher ertrug ich seine Hitze.“ (S.144)

Im Buch wird das als akzeptabel betrachtet, weil der Typ gut aussieht. Stellen wir uns aber vor, er wäre alt, dick und ekelig, und schon wird sein ganzes Verhalten das, was es ist: Eine Grenzüberschreitung, die nicht in Ordnung ist. Im Buch wird jedoch mitgeteilt: Bist du heiß, greif dir das Mädel, auch wenn sie es nicht will oder es ihr wie hier unangenehm ist, weil danach wird sie es geil finden.
So geht das mit Alec leider auch weiter. Es gibt ein paar Szenen, die mir wirklich unangenehm waren. Mia „fügt“ sich zum Beispiel für ihn, sexuelle Handlungen mit einem anderen Mann darzustellen. Mädels, das ist keine gute Literatur. Das ist Schund. Da Mia das ganze Buch über dauerhorny ist, findet sie es letztendlich nicht schlimm, und ihr Fazit ist wieder: „Bitte erbarme dich meiner und vögel mich“, weil das ihr ganzes Credo ist.

Noch ein paar Gedanken…

Der Grundplot ist schon mein erstes Ärgernis gewesen. Wenn mein Vater so stark zusammengeschlagen wird, dass er im Koma landet, wäre mein erster Gang der zur Polizei. Aber diese Idee wird nicht einmal formuliert, es geht nur um das Grundproblem, dass schnell viel Geld her muss, damit die Protagonistin den Weg als Escort-Girl einschlagen kann.
Wes bietet ihr den Ausweg an, für sie die Schulden zu bezahlen, was Mia nicht annimmt, um ihre Beziehung nicht zu gefährden. Das kommt mir reichlich dämlich vor, wenn ihr Vater doch angeblich in so starker Gefahr schwebt. Andersrum gibt sie sich keine Mühe, die Beziehung nicht zu gefährden, als sie Wes‘ Bitte zu bleiben ausschlägt und gleich danach mit Alec in die Kiste springt.
Die Autorin wird nicht müde zu betonen, WIE VERDAMMT HEISS alle Männer sind, was irgendwann zu einem Augenrollen bei mir geführt hat. Es wird gerne betont, auf jeder Seite: Sein Atem ist heiß, seine Augen sind heiß, seine Muskeln sind heiß, übrigens auch seine Füße. Seine Füße! Jesus Maria.
Wir lernen von Mia, dass sie gerne Schauspielerin sein würde und nebenbei auch an Castings teilgenommen hat, bevor sie Escort-Girl wurde. Wes gegenüber, der verdammt nochmal Drehbuchautor ist und verdammt viele Connections hat, die sie auch kennen lernt, erwähnt sie das nie.
Bei Alec lässt sie sich nackt malen und das ganze wird groß vermarktet, und sie macht sich nicht ein einziges Mal Gedanken darüber, wie sich das auf ihre Schauspielkarriere auswirken könnte.
Hat sich die Autorin darüber Gedanken gemacht? Vermutlich nicht. Natürlich ist das ganze Biker-Schauspiel-ich-bin-arm-Gedöns nur dafür da, um Mia etwas Tiefe zu verleihen, aber dann wäre es nett gewesen, wenn das nicht nur alle Jubeljahre nebenbei erwähnt worden wäre. Was Mia mag (bis auf dicke Lümmel), erfahren wir eigentlich nicht. Was sie den ganzen Tag tut, während Wes weg ist, erfahren wir nicht. Ob sie Hobbies hat, sonstige Interessen? Nö.
Wichtig ist ihr jedoch, dass sie nicht als Hure bezeichnet wird, wobei sie Geld für Sex annimmt. Das hat mich ein bisschen genervt, sowie der verzweifelte Versuch in den Alec-Szenen, ihr ein bisschen Tiefe zu geben, die sie einfach nicht besitzt.

Ich komme mal zum Fazit…

Ich denke, das Buch möchte eigentlich ein bisschen Freiheit und sexuelle Befreiung ausdrücken, schafft es letztendlich nicht. Zumindest nicht bei mir. Letztendlich bleibt Mia eine Person, die sich für Geld prostituiert, was aber durch die Schönheit der Männer legitimiert wird, und mehr nicht. Positiv möchte ich die Sexszenen hervorheben, denn sie sind wirklich gut geschrieben, aber die Fülle ging mir tatsächlich irgendwann auf die Nerven. Die mit Wes fand ich ganz gut, danach habe ich sie tatsächlich überblättert. Fast den gesamten Anthony-Part habe ich geskippt, weil ich ihn einfach uninteressant fand.

Vermutlich reicht es nicht, eine Vagina zu haben, um das Buch zu mögen.
Den Hype darum kann ich jedenfalls nicht nachvollziehen, aber das konnte ich bei 50 Shades auch nicht. Calendar Girl ist zumindest besser geschrieben, der Stil ist immer noch recht simpel, aber zumindest flüssiger. Eine Kaufempfehlung gibt es von mir nur, wenn jemand Bock auf Lesen mit dem Buch in der einen Hand und einem Vibrator in der anderen hat. Für mehr ist es auch nicht geschrieben worden.
1 Stern von 5 von mir.

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